Eine Auseinandersetzung mit "Der Sandmann"

20. Dezember 2024
Zeichnung von E. T. A. Hoffmann zu seiner Erzählung „Der Sandmann“ von Wikpedia

Eine Zusammenfassung des Unterrichts zum Thema "Der Sandmann"

Der Sandmann von E. T. A. Hoffmann ist ein Paradebeispiel für einen Text aus der Epoche der Romantik, weshalb wir uns im Unterricht mit ihm befasst haben. Ausserdem konnten wir damit unsere analytischen Kompetenzen stärken, da diese Geschichte viel Raum für Interpretationen und viele rhetorische Stilmittel beinhaltet.
Am meisten sind wir im Unterricht auf den ersten Abschnitt der Geschichte mit den Briefen eingegangen. Wir haben besprochen, dass man darin drei Figuren kennenlernt. Diese sind Nathanael, Lothar und Clara. Wir sind darauf eingegangen, wie sie zueinanderstehen und wie man dies am Text erkennt. Beispielsweise erkennt man daran, wie Nathanael von Clara spricht, dass er mit ihr verlobt ist. So sagt er Lothar, dass dieser Clara keine Vorlesungen über Logik geben soll. Wir haben im Unterricht besprochen, dass im ersten Abschnitt die Vorgeschichte erzählt wird. Das Aufeinandertreffen mit dem Wetterglashändler hat Nathanaels Kindheitstrauma wieder hervorgeholt. Nathanael nennt dieses Ereignis als Entschuldigung dafür, dass er den Brief erst jetzt geschrieben hat, da er sich zuerst wieder emotional fassen musste. Auch sagt Nathanael im ersten Brief, dass Clara und Lothar ihn auslachen sollen. Wir haben thematisiert, dass Nathanael ausgelacht werden möchte, als Beweis von den anderen, dass er mit seinen Befürchtungen Unrecht hat.
Im Weiteren haben wir die Geschichte im erzähltheoretischen Kontext analysiert. Die Erzählsituation in dieser Geschichte ist ein personaler Erzähler. Weiterführend haben wir behandelt, dass es in dieser Geschichte drei verschiedene Erzähler*innen gibt. In den Briefen, die die Binnenerzählung sind, erzählen Nathanael und Clara abwechselnd. Die Erzählung, die die Erzählinstanz null erzählt, ist die Rahmenerzählung. Geschrieben wird im ersten Teil in der Ich-Erzählinstanz. Der eigentliche Erzähler – die Erzählinstanz null – tritt bereits bei den Titeln der Briefe in Erscheinung. Für ihn ist die ganze Geschichte bereits geschehen. Er spricht im zweiten Teil zu den implizierten Leser*innen und zeigt im ersten Teil die Briefe gekürzt.
Wir haben ausserdem besprochen, dass der Erzählgegenstand dieser Geschichte das traumatische Erlebnis von Nathanael ist, welches er in seiner Kindheit erlebt hat.  Als Nathanael Lothar davon erzählt, ist er zeitlich distanziert, jedoch emotional nahe.
Weiterführend haben wir den Text im romantischen Kontext angeschaut. Beispielsweise romantisiert Nathanael den Wetterhändler. Er gibt diesem – etwas Alltägliches – eine zusätzliche Bedeutung. Auch hat Nathanael zwei Seiten – der Vernünftige wird zum Krankhaften.
Ebenso haben wir analysiert, dass in dieser Geschichte viele Augenmotive verwendet werden und, dass die Erzählinstanz null diese Nathanael andichtet. Dies gehört zur romantischen Ironie. Auch dazu gehört, dass die Erzählinstanz null Nathanael jemanden – Spalanzani – verehren lässt, von dem die implizierten Leser*innen wissen, dass dieser gar nicht so verehrt werden kann.
Überdies haben wir erörtert, dass Spalanzani den Vitalisten der Alchemisten angehört, welche meinen, dass Leben nur aus Leben entsteht. Coppelius wiederum ist Mechanist. Er glaubt, das Leben auch aus anorganischem Material entsteht.
Des Weiteren haben wir im Unterricht herausgearbeitet, dass die Feuermotive immer auftreten, wenn es eine Veränderung gibt. Zum Beispiel beim alchemistischen Versuch, bei der Universität und vor dem Sturz vom Turm. Wir haben besprochen, dass das Feuer für Zerstörung, etwas teuflisches, den inneren Antrieb und als eine reinigende Kraft steht.
Ein weiterer Aspekt, den wir im Unterricht kurz angeschaut haben, ist, dass der Text eine musikalische Struktur aufweist, was ein romantisches Element ist. In diesem Text sind verschiedene Künste verschmolzen. Er ist wie eine Sonate von Beethoven aufgebaut.
Ausserdem haben wir auch behandelt, dass die Perspektive ein wichtiges Element im Buch ist. Die Perspektive ist eine Frage der Wahrnehmung und ein Blick in Parallelwelten.
In einer Diskussionsrunde wurde die Kastrationsangst angesprochen. Siegmund Freuds These der Kastrationsangst lässt sich auf «Der Sandmann» übertragen. In dieser Geschichte stehen die Augen für das Geschlechtsteil. Auf der symbolischen Ebene wird Nathanael kastriert.
Als letztes haben wir im Unterricht «Der Sandmann» mit Gedichten aus der Zeit der Romantik verglichen.

"Der Sandmann" und die Tiefenpsychologie

In meinem Ergänzungsfach Pädagogik und Psychologie haben wir die Hauptströmungen und Paradigmen der Psychologie behandelt, wozu auch die Tiefenpsychologie von Sigmund Freud gehört. Mir ist dabei aufgefallen, dass «Der Sandmann» Aspekte beinhaltet, die man der Tiefenpsychologie zuordnen kann. Im Folgenden werde ich «Der Sandmann» der Tiefenpsychologie gegenüberstellen. Was mir als erstes aufgefallen ist, ist, dass in «Der Sandmann» die Ursache für das Geschehen in der Kindheit liegt und die Tiefenpsychologie sieht die Kindheit bestimmend für die spätere Persönlichkeit. Auch scheint Nathanael sein Trauma verdrängt zu haben. Die Tiefenpsychologie besagt, dass bestimmte seelischen Vorgänge – zum Beispiel unangenehme Erlebnisse oder Probleme – dem Bewussten verborgen bleiben. Sie spielen sich im Unterbewussten ab. Diese bewusstseinsunfähigen Vorgänge beeinflussen das Erleben und Verhalten des Menschen und seine Persönlichkeitsentwicklung jedoch massiv und nach bestimmten Gesetzmässigkeiten. Nathanael wird von seinen traumatischen Erlebnissen beeinflusst, ohne, dass er dies bemerkt.